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MICHELE MELILLO: À REBOURS

opening: February 28, 2013, 6:30 pm - 9:30 pm
exhibition: March 1 - April 27, 2013







Von Schwellen und Spiegeln

Gegensätze und Kontraste, Dinge, die gegeneinander und somit auch zusammen gestellt etwas erzeugen, das über das hinaus geht, was ihre einzelnen Teile darstellen, sind ein uraltes Thema nicht nur der bildenden Kunst. So lässt sich auch aus den Werken Michele Melillos eine Art reflexive Dialektik lesen, und zwar die des künstlerischen Subjektes. Denn indem sich dort zeichnerische Motive des Barock mit geradezu fauvistischen Farborgien ein Stelldichein geben, stellen sie zum einen die Frage nach dem künstlerischen Ausdruck ihres Erzeugers (seiner Identität gar) und spiegeln zugleich den grundsätzlichen kulturtheoretischen Diskurs der Selbstreflektivität des Künstlers wider.

So ist es kein Zufall, dass die Epoche des Barock in gewisser Weise eine Art Schwelle im menschlichen Denken darstellt, einen Übergang von der reinen Repräsentation von Ähnlichkeiten und Verwandtschaften unter den Dingen (die aber immer nur auf übergeordnete Konstrukte wie Religion und Macht verweisen), hin zu einem neuen Referenzpunkt, zu dem sich Denken und Erscheinungen verhalten: das Subjekt. Es geht nicht mehr um die Frage der Ähnlichkeiten, sondern um die der Identitäten und Unterschiede. Die reine Repräsentation hat ausgedient; der Mensch wird der wichtigste Bezugspunkt und rückt als Begriff in den Vordergrund.

Diese neue historische Position des künstlerischen Subjektes hat Michel Foucault in "Die Ordnung der Dinge" anhand von Diego Velázquez Gemälde "Las Meninas" (1656) dargelegt und im wahrsten Sinne des Wortes bebildert. Nach Foucault läutet Velázquez' Porträt des Königspaars und seines Hofstaates, das durch seine ausgeklügelte Perspektive eben besagte Fragen nach der künstlerischen Position thematisiert, symptomatisch das Ende der einen und den Anfang einer anderen Ära ein.

Der Künstler befindet sich dort nicht mehr wirklich in der Welt der Vergleiche, sondern in der der Spiegelungen. Der Mensch als direktes Subjekt und als alleiniger Gegenstand der Betrachtung ist ihm aber noch verwehrt, so dass er die einzige Nicht-Repräsentation – das Königspaar – erst wieder nur in einer Repräsentation, vielleicht sogar in einer doppelten oder dreifachen, darstellen kann.  

Betrachtet man mit diesen Gedanken im Hinterkopf Michele Melillos Werke, so zeigt sich eine aktualisierte Variante der Thematik, in der eben er, der zeitgenössische Künstler, sich wiederum selbst (und sein Publikum) befragt nach der eigenen Position im Verhältnis von Historie, Gegenwart und Subjekt. Die Motive des Barock verweisen auf eine Epoche, in der der Grundstein zur Selbstwahrnehmung des Künstlers als eigenständige Instanz gelegt wurde und in der sich folglich auch die Frage nach dem subjektiven Ausdruck als ästhetischem Wert entwickelte – und in dem diese zeichnerischen Motive dem Kontrast des exzessiven, ergänzenden Farbauftrags ausgesetzt werden, stellen sie zugleich die Frage nach sich selbst und ihrer Herkunft sowie dem Verhältnis, das sich dadurch zum Jetzt ergibt.

Daniel Windheuser